Ich komme rum. Von St. Pauli über Eimsbüttel nach Bahrenfeld. Etwas ab vom Schuss. Was aber nicht weiter schlimm ist, da ich die Kurve nicht so richtig kriege und abends eh nichts anderes mache außer kochen, lesen und ferngucken *SCHNARCH*.

Bahrenfeld, gehört zu Altona, hat 26.000 Einwohner, gibt es schon seit 1256, hier hat die SPD die absolute Mehrheit, außerdem soll es mehrere Parks geben, die ich weder gesucht noch gefunden habe. Aber es ist nah nach Altona und Ottensen mit netten kleinen Straßen, vielen Cafés und allem, was urbanes Leben ausmacht.

Die Straße, in der ich wohne, könnte auch in einem kleinen Dorf sein. Alte Backsteinhäuser, dreistöckig, mit großen Vorgärten, in denen abends die Familien sitzen (ja, auch hier scheint mal die Sonne). Jedes Haus in der Reihe hat ein steinernes Symbol, an „meinem“ ist es der Pirat (!), an anderen sind es Flamingos, der Wassermann, ein Schwan und andere ähnliche wassernahe Motive. Über das Kopfsteinpflaster ist es etwas klapperig mit dem Rad zu fahren, dafür ist es bis zur S-Bahn ganz nah. Fast zu Fuß zu erreichen ist das Zeise-Kino mit Freiluftaufführungen.

Wie schon in Eimsbüttel, fällt mir auch hier auf, wie luxuriös und großzügig wir in Berlin leben. Oder ist es eher überdimensioniert und auf zu großem Fuße? Zuhause erscheint es mir so selbstverständlich, soviel Platz zu haben, so hohe Räume und so viel Zeugs – auch wenn ich manchmal denke, ich könnte gut mal was aussortieren. In mein Zimmer passt die halbe Wohnung hier, scheint es.

Oh nein, es ist überhaupt nicht ungemütlich hier. Ganz im Gegenteil. Jedes Zimmer ist in einer anderen Farbe gestrichen: von Limettengrün in der Küche über Brombeerfarben im Flur, Meerblau im Bad bis zu Türkis im Wohnzimmer und Gelb im Schlafzimmer. Überall gibt es Kleinigkeiten, die entweder schön anzusehen sind oder gut riechen, angenehm in der Hand liegen und sich vertraut anfühlen.

Zum ersten Mal seit, na sagen wir, 25 Jahren, lebe ich ganz allein. Ja, ich weiß, nur fünf Tage die Woche und mit täglichen Telefonaten in die Heimat ;-), aber es ist ein gutes Gefühl. Ich kann solange arbeiten, wie ich will, ich kann nach der Arbeit solange rumfahren wie ich will, wohin ich will. Ob ich koche oder nicht, interessiert niemanden außer mir. Ich muss mit niemandem reden, wenn ich nicht will – und wenn ich will, kann ich Selbstgespräche führen, so lange und so laut wie ich will.

Es ist Luxus, diese Chance zu haben. Zuhause in Berlin meine Familie, hier mit mir. Geborgenheit – Unabhängigkeit. Ich kann beides leben – und das macht mich froh. Ich glaube nicht, dass L. oder V. drunter leiden. Sie wissen sich selbst zu beschäftigen und haben auch ihre Freiheit. Warum klingt es trotz allem nach Entschuldigung, Erklärung, Rechtfertigung? Warum kann ich es nicht so ausdrücken, wie ich es fühle?