Es sollte ein guter, warmer, produktiver und kreativer Freitagmorgen werden. Die to-do-Liste war geschrieben, und wenn ich meinen Plan erfüllen würde, wäre ab Mittag Wochenende angesagt. Kuschelig auf dem Sofa liegen, lesen, Tee trinken. Es ließ sich gut an.

Der Mann verreist. Es ist früh, es ist dunkel, es ist kalt. Ausgeschlafen sein ist was anderes. Aber wir liegen in der Zeit. Der Zeit fährt erst in 30 Minuten. Und morgens um 7 geht es zügig von Tempelhof zum Hauptbahnhof.

Fünf Minuten dauert es, die Autoscheiben frei zu kratzen. Dumm, dass die Fahrertür zwar auf-, aber nicht wieder zugeht. Der Schlossschnapper hat sich anscheinend bei den Minustemperaturen den Pips geholt und weigert, sein Gegenstück zu umarmen. So kann man doch nicht fahren.

Ökologisch verdammt, aber in diesem Fall sehr hilfreich ist es, ein zweites Auto zu haben. Sein Zuhause ist in Tiefgarage. Da ist es mit 5 Grad warm und kuschelig. Mann eilt wieder nach oben, den passenden Schlüssel zu holen. Frau wuchtet den Koffer aus dem einen zum anderen Auto.

Wir fahrn, fahrn, Te-Damm hoch, Mehringdamm runter, ein kleiner Stau am Ufer – nicht der Rede wert. „Scheiße, ich hab mein Handy vergessen“, greift sich der Mann an die Manteltasche. Das liegt zuhause auf dem Küchentisch und tankt auf.

„Das schaffen wir nicht mehr, oder? Ich mein, nach Hause zu fahren.“ Nee, das schaffen wir nicht mehr. Wir haben noch 15 Minuten und fünf Kilometer. „Egal, dann ist das eben wie in alten Zeiten. Ich guck mal, ob ich noch ein paar Groschen für den Münzfernsprecher habe.“

Frau angelt sich derweil das eigene Handy aus der Hosentasche, was im niedrigen Auto und in voller Wintermontur gar nicht so einfach ist. „ich guck mal, ob der Zug Verspätung hat, dann können wir dein Handy doch noch holen, oder ich bring es dir nach Spandau.“ Wäre ja kein Wunder, wenn die Bahn nicht pünktlich käme.

Dass wir durch den Stadttunnel fahren, kriegen wir nicht mit, hier ist es genauso dunkel wie draußen. Am Bahnhof wuselt es rum, wir sind pünktlich, der Zug auch. „Tschüss und gute Fahrt.“

So, wieder zuhause kann ich endlich loslegen. Wo ist mein Handy? WO IST MEIN HANDY? Hosentasche, Manteltasche, Küchentisch, Schreibtisch, Badezimmer. Scheiße. Mein Handy ist weg. Oh nein, bitte nicht.

Wieder runter Garage. Auto durchsucht. kein iPhone. Nein, ich habe keinen Ortungsdienst eingestellt, ich mache nichts mit iCloud. Was mach ich jetzt?

Wütend werden, in diversen Ordnern nach den Handyunterlagen suchen, in der Warteschleife von t-mobile hängen, um das Handy sperren zu lassen.

Minute 1: „Willkommen bei t-mobile. Unsere Rufnummer hat sich geändert. Bitte wählen Sie … ich wiederhole …

Minute 2:  Willkommen … Unsere Dienste … Was möchten Sie? Wenn Sie das wollen, drücken Sie die Taste. Wenn Sie das wollen, drücken Sie die andere Taste, wenn Sie wollen, drücken Sie die Taste. Und es geht es immer weiter, bis alle Tasten durch sind.

Minute 3 (natürlich kostenpflichtig, weil ich ja nicht von meinem Handy anrufe. Weil das ja weg ist): „Willkommen bei Ihrem Mobilanbieter. Zur Zeit sind leider alle Kundenberater im Gespräch. Bitte warten Sie.“ Dudelduldel. Fahrstuhlmusik (ab sofort auch Wartenschleifenmusik genannt)

Minute 4: „Zur Zeit sind alle Kundenberater im Gespräch …“
Minute 5: „… Bitte warten Sie.“
Minute 6: dudeldudeldudel

Minute 7: „Herzlich willkommen im Geschäftsbereich Ihres Telefonanbieters <Name>. Mein Name ist Harry Hasenkötter. Ich freue mich Sie zu begrüßen. Guten Tag. Was kann ich für Sie tun? Bitte nennen Sie zuerst Ihre Handynummer und Ihre Kundennummer, Ihre Vertragsnummer oder Ihre Kundenkontonummer.“

Bitte? Ich leier meine Daten und mein Problem herunter. „Und Ihr Geburtstagsdatum bitte noch zum Abgleich.“ Freue mich zu hören, dass das Sperren nicht kostet und ganz schnell geht. Und frage vorsichthalber gleich nach, ob das Entsperren kostet. Nein, natürlich nicht. Naja, so natürlich finde ich das jetzt nicht. Aber ich werde den Teufel tun und was sagen. Die ganze Aktion hebt meine Laune nicht wesentlich, und gefrühstückt hab ich auch noch nicht.

Ich latsche wieder unter in die Garage, hole das Auto mit der intakten Tür und fahre nochmal zum Bahnhof. Nicht ohne vorher eine sms an mein Handy zu schicken „Wenn du das hier liest, hast du mein Handy gefunden. Ich brauche es dringend wieder. Bitte ruf mich an: <Festnetznummer>.“ Nenn es naiv, aber vielleicht hilft es.

Bahnhof die Zweite: Parken auf dem Behindertenparkplatz (was anderes ist nicht frei, und ja, ich habe ein schlechtes Gewissen.) Warteschlange am Infopunkt der Bahn, der zugleich Fundbüro ist. „Nee, ick bin seit sechs hier, hier ist nüscht abjejeben worden.“ Ab nach oben zur DB Sicherheit und Bundespolizei. Fünf Männer hocken in ihrem halbdunklen Glaskasten. „Da müssense unten fragen. Da ist das Fundbüro.“ „Hm, ja, danke, da war ich schon, aber ich wollte nicht unversucht lassen.“

Glück gehabt beim Parkplatz. Keine Hostesse mit elektronischem Block lauert irgendwo. Ich laufe noch mal die ganze Strecke ab, wo wir heute früh gestanden habe. Mein Handy sieht aus wie eine rotweiße Kassette aus den 70ern. das müsste doch zu sehen sein.

Wahrscheinlich werd ich mir jetzt ein neues Handy kaufen müssen. Wie schnell geht das denn? Ich muss doch am Mittwoch auf Geschäftsreise. Ich hätt ja auch gerne wieder ein iphone. Aber, oh Mann, das ist so teuer.

Stau auf der Heimfahrt. Na, das hat mir gerade noch gefehlt. Und um das Ganze noch zu krönen, heißt es Stau im Tunnel. Und ich im Cabrio. Ist natürlich zu, aber so ein Stoffdach lässt die Abgase schon sehr spürbar durch. Mir wird ganz schwummerig. Ob ich vielleicht mal rechts an der Schlage vorbeifahre? Und wenn es jetzt einen Unfall gibt? Feuer im Tunnel? Warum macht die Polizei denn nichts? Mir ist schlecht. Ich habe Hunger. Ich will nach Hause.

Gut eine Stunde hat die ganze Aktion gedauert, bis ich wieder am heimischen Herd bin. Oder vielmehr am Regal. Am schwarzen. Im Wohnzimmer. Wieso liegt mein Handy denn hier? Mit der schwarzen Seite nach oben.