Hamburg im Sommer. Nordischgrau und nicht wirklich warm. Wir machen uns Arbeit. Ich stelle eine Migrations-Produktionsliste zusammen und darf endlich wieder die Erbsenzählerin, die Wortklauberin, die orthografische Korinthenkackerin geben ;-)
Zum besseren Arbeiten könne ich eine Sitemap gut gebrauchen. Nachfrage beim Konzepter F.
„Wo finde ich denn eine aktuelle Sitemap?“
F: „Was meinst du?“
„Die Sitemap, auf der alle Seiten drauf sind, um die Produktionsliste zu erstellen.“
F: „Äh, die aktuelle. Haben wir gerade, glaube ich, irgendwie nicht. Da musst du die, äh, ich glaube H. heißt sie, fragen. Die ist aber in München. Bis in welche Ebene?“
„Am besten bis in alle Ebenen, weil wir alle Seiten auflisten wollen, um ihnen die Module zuzuordnen.“
F: „Da kannst auch in den Fachkonzepten gucken … es gibt ungefähr 700 bis 800 in den Auslieferungsordnern …“
Ich stehe vor der Wand mit einer Sitemap und Screenshots.
F: „Das ist nicht aktuell. Das ist ein alter Stand.“
„Wo finde ich aktuelle Screenshots?“
F: „Das weiß ich nicht. Frag doch mal S.“
Er geht mit mir zu S., die im Nebenraum von B1 und I. sitzt.
F: „Hast du aktuelle Screenshots? Das ist doch der Stand vom Usabilitytest, oder?“
S: Ja, der liegt in dem Ordner …. (rattert den Pfad runter). Ich schick ihn euch.“
Merkwürdig finde ich, dass so viele Leute schon so viele Konzepte geschrieben haben, dass es Unmengen an Ordnern gibt, dass seitenweise Screenshots an der Wand hängen – und trotzdem keiner so wirklich durchblickt. Frage ich S. nach der Bedeutung von „Connectivity“, verweist er mich an B1, der mich zu L. schickt, die aber leider noch nicht so im Thema drin ist und mich bittet, in München nachzufragen oder bei B2. Der ahnt zwar, was gemeint ist, ist aber nicht wirklich zuständig, „frag doch mal B1, der soll entscheiden.“
Kein Wunder, wenn das Projekt schon seit zwei Jahren läuft. Aber wie wir das bis Oktober hinkriegen sollen? Vier Texter/innen, mehr als 2.000 Seiten in drei Monaten? 700 Seiten p.P. 1 Seite = 1 Std = 700 Stunden = 87,5 Arbeitstage à 8 Stunden. Bis Oktober sind es aber nur noch 60 Werktage. Und wir haben immer noch keinen wirklichen Plan.
Ein Tag fast ohne Meeting. Erst um 13 Uhr – und dann auch nur kurz. Hat ja auch A. organisiert. Ich bin voll in meinem Element – eine Liste für 2.000 Dokumente. Yeah. Das Mittagessen (ich hab noch ein paar meiner leckeren, dick machenden, selbst gebackenen Mandelmehl-Parmesan-italienische-Kräuter-Olivenöl-Kekse) hab ich im Liegestuhl im 19. Stock mit Blick über demvernebelten Hafen eingenommen. Und bin auf meine eigenen Vorurteile reingefallen, als neben mir ein junger Asiat mit Handy steht – und in feinstem Hamburger Dialekt zu schnacken anfängt. Ich hatte fest mit Englisch gerechnet.
Bei Spiegel online habe ich eine geniale Jobtitelmaschine gefunden. Berufsbezeichnungen, die in der Agentur wahrscheinlich gar nicht auffallen würden: Senior Agent Collaborative Operation, Senior Developer of Usability Functionality, International Manager of Domestic Solutions, Lead Accountant for Next Generation Configuration, Principal Engineer for Export Derivatives, Executive Manager of Virtual Engineering, Team Associate for Frictionless Project Management. Am besten gefällt mir „Vice Roadrunner of Junk and Trash Networking“.
In diesem Sinne …